Historische Narrative der ‚Rus‘ im Großfürstentum Litauen, der Rzeczpospolita, im Moskauer Staat und im Russischen Reich zwischen dem Ende des 15. und Mitte des 18. Jahrhunderts: Auf der Suche nach eigener Geschichte

  • 10.11.2016 - 12.11.2016
  • Lwiw
  • Konferenzen

Internationale wissenschaftliche Konferenz im Rahmen des internationalen Forschungsprojekts „Die Ostslawen auf der Suche nach neuen Űberregionalismen (Ende 15. bis Mitte 18. Jh.) im Kontext der modernen Nationenbildung in Europa“

Organisatoren der Konferenz:
- Deutsches Historisches Institut Moskau
- Historische Fakultät der Kiewer Staatlichen Shevchenko-Universität
- Ukrainische Katholische Universität (Lwiw)

Sprachen der Konferenz: Russisch, Ukrainisch, Weißrussisch

Idee der Konferenz
Die Geschlossenheit des kulturellen und ideologischen Raums der Rus’ zerfiel ab 12. Jahrhundert. Verschiedene Teile der Rus’ gingen im 14./15. Jahrhundert zu unterschiedlichen staatlichen Formationen. Dazu kam dann die Aufteilung der Kiewer Metropolie in zwei Autokephalien. Es entstand damit in den ehemaligen Ländern der Rus’ die Notwendigkeit neuer Leitlinien ihrer historischen Legitimation. Unter dem Einfluss gegenläufiger zivilisatorischer Entwicklungsrichtungen und Regionalismen begannen die intellektuellen Schichten der unterschiedlichen Teile der früheren „Rus’“ im Rahmen des Großfürstentums Litauen, der Rzeczpospolita, des Moskauer Staates und des Russischen Reiches im 16.-18. Jh. aufs Neue ihre historische Erbe zu konzeptualisieren.

Auf die Herausforderungen der offiziellen Doktrinen reagierend instrumentalisierten sie ihre Vergangenheit im Kontext immer neuer überregionaler Gemeinwesen, überdies beriefen sie sich darauf in unterschiedlichem Maß und auf unterschiedliche Art und Weise in Abhängigkeit vom Charakter der sie beeinflussenden interregionalen Prozesse und von den konfessionellen Auseinandersetzungen. Sogar in den Regionen, die nach dem Vertrag von Perejaslaw (1654) unter die Gewalt Moskaus fielen und sich bis Ende des 17. Jahrhundert aktiv der Westernisierung mitwidersetzten und auf ihre kulturelle Autarkie, wie vorgeschrieben, beharrten, wuchs das Bestreben, eigene Linien historischer Kontinuität zu bekräftigen.

In der Zusammenschau lässt sich für diese Periode von Konfrontation und Wechselwirkung in der Historiografie der „Rus’“ zwischen eigenständigen Traditionen und Mythen sowie Ideen und Formen westeuropäischer Vorbilder sprechen. Die westliche Kultur begann bereits ab 16. Jahrhunderts in den Moskauer Staat einzusickern, planvoll dann in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts (in erster Linie über Kiew). Neue Ideen „lateinischer Art“ wurden eine Herausforderung für die Traditionalisten, da sie ein Überdenken des altrussischen Erbes bewirkten, bevor schließlich unter Peter I. die Neuformatierung des historischen Gedächtnis Moskowiens (als Imperium) im gesamteuropäischen Rahmen nach westeuropäischem Muster begann. Ab der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts (diese Periode geht über unser Projekt hinaus) erhielten diese Referenzmuster eine grundsätzlich andere  Ausfüllung.

Anliegen unserer Konferenz ist es zu beleuchten und zu zeigen, wie sich in historischen Narrativen der „Rus’“ zwischen Ende des 15. und Mitte des 18. Jahrhunderts neue Linien der historischen Legitimation herausbildeten, welche Faktoren sie beeinflussten, was ihnen gemeinsam ist und was sie unterscheidet.

Im Rahmen der Konferenz sollen folgende Themenblöcke behandelt werden:
- das Überregionale in den historischen Narrativen
- Mythen in Bezug auf die Ethnogenese
- (Re-)Konstruktion von Traditionen
- Grenzen und die Konflikte von Identitäten
- Visualisierte Narrative

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Projekts werden ihre Beiträge nach eigener Wahl den genannten Sektionen zuordnen. Prioritär bleiben die Themen, die ihren individuellen Forschungspläne für das Jahr 2016 entsprechen.

Die eingeladenen Fachexperten werden als Moderatoren und Kommentatoren an den Sektionen sowie an den allgemeinen Diskussionen beteiligen.

Vorträge: 30-40min.

Kommentare zu den Sektionsbeiträgen: 25-30 min.
 
Kontakt: Dr. Andrej Doronin (andrej.doronin@dhi-moskau.org), Prof. Dr. Vasiliy Ulianovsky (ulianovsky@gmail.com), Prof. Dr. Ihor Skoczylas (ihorskoch@ucu.edu.ua)