In memoriam: Jurij Ivonin (26. August 1947 – 29. Dezember 2021)

Ein Nachruf von Heinz Duchhardt, Mainz

Im Alter von 74 Jahren verstarb kurz vor dem Jahreswechsel des gregorianischen Kalenders, am 29. Dezember 2021, der Historiker Jurij Ivonin, Professor an der Staatlichen Universität Smolensk. Ivonin hat an etlichen seiner Konferenzen des DHI Moskau teilgenommen und war ein gern gesehener Gast in der Bibliothek des Instituts.

Ivonin wurde im Hochsommer 1947 als Sohn eines sowjetischen Offiziers in der damaligen Sowjetischen Besatzungszone, in der Stadt Brandenburg, geboren. Seine Deutschkenntnisse verdanken sich seiner frühen Kindheit. Ivonin studierte bis 1969 Geschichte in Perm und wurde 1974 in Leningrad mit einer Studie zum England des 16. Jahrhunderts promoviert. Er setzte seine Karriere als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Minsk fort (bis 1987). Aufgrund einer Arbeit zu den Beziehungen Englands zum Heiligen Römischen Reich im 15./16. Jahrhundert wurde er zum Dozenten ernannt. Zwischen 1987 und 1995 war er, seit 1989 als Professor, an der Universität Saporoschje tätig. 1995 wurde er an die Staatliche Universität Smolensk berufen, wo er bis 2018 die Leitung des Lehrstuhls für Geschichte innehatte. Ein Großteil seines umfangreichen Werks war der deutschen Geschichte gewidmet.

Spätestens seit seinem Wechsel nach Smolensk wurde die Geschichte des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation zu seinem bevorzugten Arbeitsgebiet. Er vermittelte die neuen Ansätze der bundesrepublikanischen Forschung, etwa das Konfessionalisierungsparadigma oder die „neue“ Geschichte der internationalen Beziehungen, oft in kritischer Auseinandersetzung nach Russland und machte deutschsprachige Neuerscheinungen durch seine Rezensionen in Russland bekannt. Insofern war er ein Wegbereiter für den engeren Austausch der beiden Geschichtswissenschaften und ein Brückenbauer, der auf die von ihm organisierten Konferenzen dann auch gezielt prominente deutsche Frühneuzeithistoriker einlud, die er auf seinen Forschungsaufenthalten – so etwa in der Herzog August Bibliothek oder im Mainzer Institut für Europäische Geschichte – persönlich kennengelernt hatte. Seine Arbeiten zur frühneuzeitlichen Reichsgeschichte hat er in mehreren Bänden zusammengefasst, zuletzt 2019 in einem schönen Sammelband mit Porträts bedeutender Herrscher- und anderer historischer Persönlichkeiten des 16. bis 18. Jahrhunderts.

Verheiratet war Ivonin seit 1986 mit der Historikerin Ljudmila Ivonina, die zu einer angesehenen England- und Frankreich-Expertin wurde und ihrerseits auf eine Geschichtsprofessur in Smolensk berufen wurde. Mein erster Kontakt mit Jurij Ivonin verdankte sich ganz direkt seiner Frau, die ich zu der großen Jubiläumskonferenz zum Westfälischen Frieden 1996 nach Münster eingeladen hatte und die von ihrem Ehemann dorthin begleitet wurde.

Ivonin war ein ruhiger, zurückhaltender Mensch, der in Smolensk nicht gerade im Zentrum der russischen Geschichtswissenschaft saß, der aber sein wichtigstes Anliegen, wissenschaftliche Brücken zwischen Russland und Deutschland zu bauen, mit großer Konsequenz verfolgte. Er wird fehlen. Seine Witwe plant eine Gedenkschrift, in deren Mittelpunkt – natürlich – das Alte Reich in seiner internationalen Einbettung stehen soll.