ONLINE: Das Kino der frühen 60er Jahre und die Genese der sowjetischen/russischen Intelligenzija

  • 24.02.2022
  • 17.00 Uhr
  • ONLINE
  • Russland und die Sowjetunion im 20. Jahrhundert: Neue Themen, neue Zugänge

Die Veranstaltung beginnt um 17 Uhr Moskauer Zeit! 

Vortrag von Maria Maiofis (HSE Moscow, Russland

In Kooperation mit Centre d'études franco-russe und IGITI (HSE University)

Arbeitssprache: Russisch 

Veranstaltungsort: online via Zoom
Der Link wird später bekannt gegeben. 

Bitte registrieren Sie sich hier bis zum 16:00 Uhr MSK am 24. Februar 2022, um den Zugangslink zu erhalten.

► Der Vortrag widmet sich zwei sowjetischen Literaturverfilmungen, die 1960 beinahe gleichzeitig in die Kinos kamen und heute fast vergessen sind: Slepoi musykant von Tatjana Lukaschewitsch und Severnaja Povest‘ von Jewgeni Andrikanis. Die Filme beruhten auf Korolenkos Etüde von 1898 und einer Kurzgeschichte von Konstantin Paustovsky, eschienen 1938. Ihre Hauptfiguren stammen aus unterschiedlichen Generationen der russischen Intelligenz. Auf der Grundlage einer Analyse der Filme selbst und von Archivdokumenten, die sich auf ihre Drehbuchvorbereitung und Filmproduktion beziehen, wird gezeigt, wie die historische Rolle der russischen Intelligenz in diesen Filmen neu definiert wird: Sie wird hier als unabhängiger Akteur des historischen Fortschritts dargestellt, wenn gleich sie von den Erfahrungen der "einfachen Leute" inspiriert ist. Dieses neue Bild der Intelligenz wurde von Filmemachern geschaffen, die ihre Arbeit in den 1920er und 30er Jahren begannen und die sich noch gut an den Großen Terror und die ideologischen Kampagnen der späten 1940er Jahre erinnerten, die die sowjetische wissenschaftliche und kreative Intelligenz zerschlugen und zerstörten. Der in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren geschaffene Mythos einer Verbindung zwischen der sowjetischen Intelligenz und den freidenkerischen und edlen Helden des 19. Jahrhunderts sollte eine neue Genealogie dieser sozialen Gruppe konstruieren. Auch hier standen Lukaschewitsch und Andrikanis in vieler Hinsicht im Einklang mit den Ideen, die zu dieser Zeit unter den Vertretern der sich herausbildenden inoffiziellen sowjetischen Schriftstellerszene und zukünftigen „Sechziger“-Bewegung kursierten. Den historischen Kontext für beide Filme bildet die Geschichte der so genannten Dritten Künstlervereinigung „Mosfilm“, die kurz vor deren Veröffentlichung gegründet wurde. Die Zusammenarbeit mit deren Direktor Michail Romm und dessen Mäzenatentum stellen eine Erklärung für zentrale künstlerische Merkmale dieser Werke dar, die die Ästhetik des "großen Stils" und die Suche nach einem neuen filmischen Stil miteinander verbinden.