Orte der Einsperrung als multifunktionale Räume in Westeuropa und Russland (16.-19. Jahrhundert)

  • 04.09.2019 - 05.09.2019
  • Deutsches Historisches Institut Moskau, Voroncovskaja 8/7
  • Konferenzen

ANMELDUNG ERFORDERLICH

Veranstalter: Institut historique allemand de Moscou (DHI Moskau), Centre d'études franco-russe (CEFR), Université de Bonn, École des hautes études en sciences sociales (EHESS), Université Paris 8, Université du Québec à Montréal, Université de Sherbrooke, Fondation Maison des Sciences de l'homme (FMSH), École des hautes études en sciences économiques (HSE), Fondation Histoire de la Patrie

Organisation: Ekaterina Makhotina, Falk Bretschneider, Natalia Muchnik, Vincent Milliot, Pascal Bastien

Zusammenfassung: Im Mittelpunkt der Konferenz steht erstens die Frage nach der Transmission von Praktiken von den mittelalterlichen Klostergemeinschaften bis zur modernen Strafanstalt. Zweitens sollen mit dem Vergleich zwischen West- und Osteuropa (und insbesondere Russland) die Beziehungen zwischen zwei Räumen in den Blick genommen werden, die bislang erst wenig von der Forschung thematisiert worden sind.

Ausgegangen wird von der seit Langem bekannten Einsicht, dass die Techniken der Einsperrung keineswegs Produkte der Moderne sind, sondern strukturelle Ähnlichkeiten mit den aus dem Mittelalter stammenden klösterlichen Praktiken der Kontrolle und Buße, aber auch der Heilserlangung aufweisen (Goffman 1961, Foucault 1972). Die weltlichen Institutionen hätten demnach Formen, Logiken und Praxis der religiösen Lebensführung und Disziplinierung  übernommen. Das Kloster als ein Ort des inneren Rückzugs – claustrum – ist stilbildend für ein ganzes Sample an Praktiken und Techniken der Einsperrung gewesen. Doch die Art und Weise, wie dies geschehen ist, bleibt bislang noch ein Forschungsdesiderat: Zwischen dem Kloster und dem „modernen Gefängnis“ gibt es einen missling link. Zwar lassen sich auch in den mittelalterlichen Klöstern bereits besondere Orte zur Einsperrung von widerspenstigen Mönchen und Nonnen – der carcer – nachweisen (Lusset 2017; Shalyapin 2013); diese machen sie aber nicht zu Gefängnissen. Und in modernen Strafanstalten setzen sich unzweifelhaft ältere Praktiken und Techniken eines religiös motivierten Rückzugs von der Welt, der Buße, aber auch der Disziplinierung fort, ohne dass diese Orte aber Klöster wären. Auch die Produktion eines Scham- bzw. Schuldgefühls (z. B. in der spezifischen Form von Reue und Einsicht) ist bis heute Teil des institutionellen Programms (Kollmann 1999; Frevert 2017). Wie also sind aus den mittelalterlichen monastischen Gemeinschaften die Prinzipien moderner Strafanstalten hervorgegangen? Der missing link, so unser Vorschlag, ist in den multifunktionellen Institutionen der Einsperrung in der Frühen Neuzeit zu suchen, in denen sich sakrale und weltliche Logiken mischten.

Konferenzsprachen: Russisch, Französisch, mit Simultanübersetzung