Deutungskämpfe um die Rus’: Erinnerungsorte der Rus'(en) der Frühen Neuzeit

Das DHI Moskau wird am 53. Deutschen Historikertag (5.-8. Okt. 2021) mit der Sektion „Deutungskämpfe um die Rus’: Erinnerungsorte der Frühen Neuzeit“ präsent sein.

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Historische Narrative spielen für die nationale Selbstfindungen sowie die Positionierungen der postsowjetischen Staaten zu und in Europa eine zentrale Rolle. Vor diesem Hintergrund erfährt die Geschichte der Ukraine, von Belarus’ und ‒ damit verflochten ‒ Russlands seit einigen Jahren eine radikale Revision. Einen zentralen Stellenwert nehmen hierbei Identitätsbildungsprozesse in den Siedlungsgebieten der Ostslawen und damit Debatten um die frühneuzeitlichen Grundlagen moderner Natiogenese und letztlich von Staatlichkeit ein. Eine seriöse und multiperspektivische Forschung, die einen rationaleren Diskurs jenseits politisierter Deutungskämpfe ermöglicht, ist jedoch nach wie vor ein Desiderat. Im Zentrum der Sektion steht die Frage, inwieweit sich in den Territorien der alten Rus’ bereits im Zeitraum von der Wende des 15. zum 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts Vorstellungen neuer Wir-Gruppen sowie eigene protonationale Gruppen-Mythologien entwickelten, und ob sich derlei überregionale kollektive Selbstverständnisse als autonome Formen eines frühmodernen Nationalbewusstseins und damit als Aspekt einer europäischen frühmodernen Natiogenese deuten lassen. Die Sektion demonstriert und diskutiert diese Problemstellungen anhand des Konzepts der „Erinnerungsorte“. Die einzelnen Vorträge nehmen die komplexe Entstehung verschiedener kollektiver Pantheons der Rus’ in der Frühen Neuzeit den Blick. Sie thematisieren mit der Ursprungserzählung von der „Taufe der Rus‘“, dem Topos „Moskau“, dem historischen Narrativ der Geschichtssynthese der Rus‘ in der „Kiever Sinopsis“ sowie den ethnogenealogischen Mythen über die „Urväter“ der Rus‘ (Prus, Rus, Palemon, Mosoch, Sarmat, Seruh, Chasaren u.a.) zentrale Erinnerungsorte der belarussischen, ukrainischen und russländischen Erinnerungskulturen mit ihren unterschiedlichen und gegenläufigen Deutungspotentialen.